Ein Weberlied 1846
Der Tisch ist gedeckt mit dem Damastgedeck,
Die schmausenden Zecher, sie bechern gar keck!
Der Purpur im Glase wird lustig geschwenkt —
Bald schaut das Gedeck wie mit Blute getränkt.
Die Bilder im Damast — sie starrten so bleich
Und stumm wie die Schemen im schattigen Reich;
Doch kaum, daß sie trinken vom blutigen Saft,
Durchrieselt's sie plötzlich wie Leben und Kraft.
Und wie, nur vom Krampf auf die Bahre gebannt,
Die erwachende Leich' aus dem Leichengewand,
So treten sie plötzlich heraus aus dem Tuch,
Den Zechern ein grauser, gespenstischer Zug!
Was wollt ihr? Wer seid ihr? - So schreien entsetzt,
Die noch eben am funkelnden Blut sich geletzt,
Und erstarren vor Schrecken in Mark und Gebein,
Als tauschten von jenen die Rollen sie ein.
Was wollt ihr? Wer seid ihr? Ei, kennt ihr uns nicht?
O schaut uns nur tiefer und scharf ins Gesicht!
Zwar stieg uns das Blut in die Wangen einmal,
Doch sind's noch die alten Züge, so fahl!
Schaut her, es ist noch das zitternde Haupt,
Von Sorgen gebleicht, von Kummer entlaubt!
Die Stirne, gefurcht von dem zehrenden Gram,
Das Auge, gebrochen vor Jammer und Scham!
Auch sind's noch die Wangen, die jung schon so alt,
Die bebenden Lippen, so trocken und kalt,
Die hageren Arme, vom Hunger gestreckt,
Und die schlotternden Schenkel, von Lumpen bedeckt!
Was also stutzt ihr und bebt ihr zurück?
Die so oft ihr uns saht mit verächtlichem Blick?
Die so oft ihr den Fuß auf das Haupt uns gesetzt
Und schier uns mit Hunden vom Hofe gehetzt? —
Wir sind ja die Weber - so arm und so schwach!
Wenn wir weinten und schrien - was frugt ihr danach?
Ihr seid ja die Steine - wir sind ja der Kern –
Staub unter dem Druck so gewaltiger Herrn!
Wir waren ja stets ein geduldig Geschlecht,
Und haben gedürstet, derweil ihr gezecht,
Und haben gehungert, derweil ihr gepraßt,
Und die Nächte durchweint, die ihr jubelnd durchrast!
Wir haben ja für euch geschwitzt und gekeucht,
Mit unserem Schweiß und Blut euch gesäugt,
Und selbst euch gewirkt für Jammer und Schmach
Die Unterlagen zu eurem Gelag!
Und haben uns selber hinein mit verwebt,
Just wie ihr uns kanntet, so bleich und verlebt,
Und sind nun als Schemen im toten Damast
Noch schweigende Träger der drückenden Last.
So zechet denn weiter und fürchtet uns nicht!
Wer fürchtet die Toten vorm Jüngsten Gericht?
Das Blut, so wir tranken, bald wirkt es nicht mehr:
Dann schauen wir wieder so bleich wie vorher!
Doch merkt euch, es keimet ein junges Geschlecht,
Dem sprudelt's im Herzen noch feurig und echt!
Vor diesem erzittert — denn, trügt es uns nicht,
So wartet das nicht bis zum Jüngsten Gericht!